„Hallo Piratenbraut.“ „Höre ich da Anerkennung? Ich meine, das muss man erstmal können... Prinzessin, Luder, Cinderella, Piratenbraut und nebenbei noch Fachärztin, Assistenzärztin und Studentin!“ „Solange Du Dich nicht vergisst. Und mich.“ „Mich eher als Dich. Hallo Marc!“ „Du klingst von Tag zu Tag besser, das freut mich.“ „Die Zeit bis zu unserem Wiedersehen wird kürzer. Nebenbei habe ich eine tolle Zeit.“ „Wo seid ihr heute?“ „Alcudia. Aber eigentlich war mein heutiges Highlight der Ort Petra. Da war ich quasi mit einem Fuß in San Francisco und San Diego.“ „Ein bisschen viel Sonne, Hasenzahn?“ „Ach guck mal... noch ein Talent von mir. Hab den Hasenzahn in der Aufzählung eben völlig vergessen, dabei ist es doch eigentlich mein traditionellstes Talent.“ „Sonne und Alkohol?“ Gretchen lachte. „Nein, der Gründer dieser beiden Städte ist in Petra geboren.“ „Aha, erzähl mir lieber von Dir.“ „Viel Sonne und viel Eis. Morgen fahren wir mit dem Boot um...“ „Gretchen – das ist kein Boot!“ „Es schwimmt auf dem Wasser.“ „Fett schwimmt auch oben.“
(„Was ist denn nun los?“)
„Ich bin nicht fett!“ „Noch eins Deiner Talente – vieles in den falschen Hals kriegen. – Gretchen?“ („Was soll das denn jetzt? Legt die einfach auf...“)
„Was ist denn das?“ Mehdi hielt ein in Leinen gebundenes Buch hoch. „Du sollst ein gutes Ja! Haben? – Ist das eine Art Heiratsantrag?“ „Sag mal...“ Marc nahm seinem Kollegen das Buch aus der Hand. „Manche Dinge gehen Dich einfach nichts an.“ „Meinst Du nicht, dass Gretchen gerne diese spezielle Frage von Dir hören will?“ „Es geht Dich nichts an. Und dieses Buch ist ein immerwährender Kalender.“ „Wie, immerwährend?“ „Ohne Wochentage und Jahre. Quasi jedes Jahr gültig.“ „Ein Geburtstagskalender, sag das doch gleich.“ „Geburtstagskalender. Zufrieden?“ „Und sowas wünscht sie sich?“ Mehdi sah seinen Freund zweifelnd an. „Nein.“ „Aha.“ „Mehdi!!!“ „Nee... ist schon gut. Du wirst wissen, was Du tust.“ „Ich weiß gar nichts...“ „Und ich verstehe gerade gar nichts.“
Marc haderte mit sich. Schließlich klärte er seinen Freund über seine momentan größten Befürchtungen – Ängste auf. „Das Fettnäpfchenpotential ist an Gretchens Geburtstag besonders groß. Erinnere Dich an ihren dreißigsten...“ „Oh je... die verrückten Heiratsanträge.“ Mehdi lachte. „In Köln wollte ich ihr einen Heiratsantrag machen – stattdessen habe ich Schluss gemacht.“ Marc schämte sich, das konnte Mehdi hören. „Hast Du kalte Füße bekommen, oder wie?“ „Das trifft es ziemlich gut. In mir kämpfen immer zwei Stimmen. Kopf und Herz. Mittlerweile sind die in einem ganz ordentlichen Gleichgewicht, aber manchmal überkommt es mich dann doch. Wie damals, als ich vor Dir weggelaufen bin. Hätte ich in Ruhe darüber nachgedacht, hätte ich Dich ausgelacht. Aber damals litt ich unter massiven Alpträumen, in denen es immer darum ging, dass man mir Gretchen wegnehmen wollte. Dann kamst Du...“ „Du weißt, dass mir das Leid tut. Marc, ich...“ „Lass gut sein, Mehdi. Das ist geklärt. Nur, dass ich immer wieder diese Aussetzer befürchte...“ „Und was hat es mit diesem Buch auf sich?“ „Zu ihrem 32. Geburtstag habe ich Gretchen eine Karte geschickt. Ich habe ihr einfach nur das Beste gewünscht und gehofft, dass nicht wieder ein Idiot ihre Party sprengt.“ „Und?“ „Das fragst Du?“ Marc lächelte. „Wir sind hier, wohnen zusammen und ich behaupte, dafür dass wir Gretchen Haase und Marc Meier sind, läuft es sehr gut. Allerdings... In diesem getrennten Jahr bin ich fast vor die Hunde gegangen. Irgendwann konnte ich nicht mehr und so bin ich bei Professor Mayer gelandet. Alles was ich wollte, war Gretchen zurück. Diese Glückwunschkarte schien mir so lächerlich, obwohl es hart war, sie ganz ehrlich und sachlich zu schreiben. Schreiben kann ich nur, wenn es um Medizin geht. Zeitgleich habe ich mit dem Quo Vadis Medicus angefangen. An dem Tag nachdem ich den Titel bekommen habe, haben Gretchen und ich uns das erste Mal wiedergesehen. Wir hatten beide dazugelernt. Sie war ihren Weg gegangen, so wie sie es für Afrika geplant hatte. Und sie hatte Pläne... Allgemein- und Komplementärmedizin. Wir haben uns so wenig gesehen und doch so viel erlebt. Hier sehen wir uns ständig und erleben kaum noch etwas. Ich will einfach nicht, dass wir uns wieder in unseren alten Rollen verstricken... dieses Scheißjahr darf nicht umsonst gewesen sein!“
Mehdi erschrak angesichts der Heftigkeit von Marcs Worten. „Und wie soll dieser Kalender dabei helfen?“ „Er soll uns wachrütteln, erinnern – und deswegen habe ich ihn mit kleinen Aufmerksamkeiten gespickt. Wenn Du den Mai aufschlägst...“ „Ein Zoobesuch?“ „So in der Art. Eigentlich wollte ich ihr eine Jahreskarte schenken, in Köln hatte sie eine. Ihre Wohnung war um die Ecke vom Zoo und sie hat es geliebt, da zu lernen. Naja, an diesem Termin kann man um zwei Ehrenkarten spielen. Da sehen wir einfach mal was anderes und ich mache mir da keine Sorgen – Gretchen und ich waren schon immer ein gutes Team. Wenn´s drauf ankam...“ „Das wird ihr gefallen.“ Mehdi grinste und blätterte ungefragt weiter. „Kölner Lichter?“ „Unser erstes Wiedersehen...“ „Wie romantisch... he!“ Marc nahm ihm energisch das Buch aus der Hand. „Mehr musst Du nicht wissen.“ „Ich möchte aber.“ „Vergiss es!“ „Ehrlichgesagt – ich befürchte jetzt eher, dass Du unsere Party sprengst und ihr eure kleine Privatparty feiert.“
Marc fürchtete sich vor der Geburtstags/Willkommensparty, denn mittlerweile war klar, dass es sich um größere Ausmaße handelte. Wie einfach wäre es, den Dienstplan zu verändern... Marc seufzte. Gretchen würde ihm gehörig den Kopf waschen...
Seine Glückwunschkarte hatte einen Ehrenplatz über ihrem Nachttischchen. Anfangs hatte er es als Warnung empfunden. Mittlerweile hatte sie ihren Schrecken verloren, denn oft lagen sie im Bett und sprachen über die Zeit im letzten Jahr. Die Zeit des Sehnens. Des Vermissens. Der Vorfreude. Der Freude. Des Herzklopfens. „Weißt Du noch...“ So fingen sie ihre Erinnerungen immer an.
Weißt Du noch – würden ihnen irgendwann die Geschichten ausgehen? Gerade hatte er sie auf Mallorca besucht. Sie hatten eine fulminante Silvesterparty im Hotel Adlon gefeiert. Und dann? Carnis Voluptas – Marc grinste. Dieses Wäschemissverständnis, ihr Streit und die Versöhnung. Das Universitätsjubiläum, als Gretchen zum Unten-Ohne-Luder wurde. Schnell machte er sich eine Notiz und klemmte den Zettel in den Kalender. Sie würden gemeinsam Unterwäsche kaufen gehen! Das stand sogar ganz am Anfang ihrer Beziehung. Perfekt – im August fehlte eh noch was. Am fünften September sollte sie entscheiden, wie sie ihren Jahrestag feiern wollten. Die Schultreppe. Ihre Prüfung. Sie waren schick essen gewesen und hatten die ganze Nacht durchgetanzt.
Er dachte an das lange Gespräch auf Mallorca. Gretchens Egoismus, an dem sich alle anstießen. Ihre Zerrissenheit, es allen Recht zu machen. Ihre Angst, sich selbst wieder zu vergessen...
„Was denkst Du gerade?“ „Ach weißt Du... Gretchen geht es auf Mallorca nicht so gut.“ „Wegen der Kinder?“ „Auch. Aber ihr Pflichtgefühl zerreißt sie. Chirurgie, Allgemeinmedizin, das Studium... „ „Es wird ihr zu viel? Das war zu erwarten.“ „Ja. Deswegen hängt sie zwischen den Stühlen. Sie ist gerne Allgemeinmedizinerin und sie hat sich echt angestrengt, diesen Studienplatz zu bekommen. Ich denke, sie wird die Chirurgie aufgeben.“ „Was wird ihr Vater sagen? Und Du?“
„Ich? Ich denke an das vergangene Jahr. Da hatte sie genau das vor. Die halbe Assi-Stelle hat sie angenommen, um für das Studium alle Möglichkeiten zu haben. Nun bieten sie ihr die Praxis an. Sie wird sich entscheiden müssen. Wenn sie es nicht schon hat. Und das wird ihrem Vater nicht gefallen.“ „Du würdest ihr nicht reinreden?“ „Nein. Ich würde sie bei jeder Entscheidung unterstützen.“ „Auch gegen den Professor?“ „Ja. Mit ihm muss ich mich eh nochmal unterhalten. Mir gefällt es nicht, dass er sich gar nicht mehr in Berlin blicken lässt. Hamburg ist gut und schön und ich halte ihm auch den Rücken frei. Aber nicht bis er pensioniert wird.“ „Doktor med. Marc Meier – Chefarzt“ „Genau das nicht.“ „Nicht? Ich dachte, das war euer Plan?“ „Ja – vor langer Zeit. Deswegen muss ich mit ihm reden... was ist denn mit Dir? Hast Du keine Pläne? Willst Du immer so weiter machen?“ „Im Moment fühle ich mich sicher, so wie es ist. Routine. Aber manchmal überlege ich, ob Routine nicht ein Synonym für Langeweile ist. Ehrlichgesagt... ich überlege, wieder nach Afrika zu gehen.“ „Afrika?“ Marcs Augen wurden groß. „Jetzt? Wo da überall Ebola ist?“ „Cedric ist auch da unten.“ „Der kann auch auf sich aufpassen!“ „Ich etwa nicht?“ „Äh... hm. Nein. Ich wäre ständig in Sorge...“ „Ich bin nicht sicher, ob das jetzt ein Kompliment ist oder nicht.“ „Wie schmeckt es Dir eigentlich?“ „Du lenkst ab. Aber es schmeckt sehr gut – in der WG hast Du dein Talent erfolgreich verheimlicht.“ „Ich habe in Zürich damit angefangen. Sascha hat gut und gerne gekocht und ich dachte, dass ich Gretchen irgendwann damit beeindrucken kann.“ Marc grinste und auch Mehdi musste schmunzeln. „Trotzdem hasst Du es, wenn sie Dich als guten Koch in der Öffentlichkeit lobt.“ „Ich bin immer noch Chirurg!“ „Und was willst Du tun, wenn Du nicht Chefarzt werden willst?“ „Zukunftsforschung. Dafür bin ich nach Zürich gegangen. Die Medizin steht an einem Scheideweg. Ich habe angefangen Quo Vadis Medicus umzuschreiben. Vielleicht nenne ich es auch einfach „Quo Vadis Ethicus“. Und nebenbei bemerkt – auch die Osteopathie fordert immer mehr Zeit.“ „Verrückt, wie ähnlich ihr euch bei allen Unterschieden seid...“ „Meinst Du jetzt Gretchen und mich?“ „Nein, Dich und Barack Obama.“ „Humor, Mut, Ehrgeiz, Verhandlungsgeschick und Führungsqualitäten... ja, bis auf die Hautfarbe sind wir uns in der Tat sehr ähnlich.“ „Spinner...!“
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